Geschwister-Kongress 1882

Auf dieser Artikelseite finden Sie Auszüge aus der Chronik eines Vorläuferformats der Familientage aus dem 19. Jahrhundert.

Über vier Tage traf man sich und verbrachte eine schöne Zeit zusammen.

Prolog:

O Eisenach, liebliches Städtchen
An der stolzen Wartburg Fuß,
Im schönen Thüringerlande
Dir sei gewidmet mein Gruß!

Dein werde ich stets gedenken,
Nie vergessen werd ich die Zeit,
Die in Eisenach jüngst ich durchlebte,
Die Tage der Liebe und Freud.

Im lieblichen Hörschelthale
Da fehlt es an Gästen zwar nie,
Denn jeder weiß, wieviel Schönheit
und Reichthum Natur ihm verlieh.

Drum tagen dort bald die Juristen,
Bald Naturforscher, auch Äskulap
Sandte dorthin jüngst seine Söhne
Zur Bereichrung der Wissenschaft ab.

Doch eine solche Versammlung
Fand in Eisenach selten wohl statt,
Wie sie dort vor wenigen Tagen
Zusammengefunden sich hat.

Von Amerikas fernem Gestade,
Von der Wupper geschäftigem Strand,
Aus Magdeburgs weiter Ebne,
Aus Rübezahls fruchtbarem Land,
Von allen Seiten sie kamen,
Und als man's genau besah,
Da war eine Mutter mit vierzehn,
Sage vierzehn Kindern da.

Sie ließen zu Haus die Geschäfte,
Seelsorg' und was sonst ihre Pflicht,
An alles dieses zu denken
War jetzt ihre Aufgabe nicht.

Jetzt war der Geschwisterliebe
Gewidmet ihre Zeit
Und der Liebe zur treuen Mutter
Waren diese Tage geweiht.

Nur einer fehlte im Kreise;
Mit Schmerz wurde seiner gedacht,
Wie hätten den teuren Vater
Die Tage glücklich gemacht.

Doch da fällt mir ein, eine Chronik
Soll eigentlich sein dies Gedicht.
's ist also Zeit, daß nunmehr,
Was alles gescheh'n, ich bericht:

Erster Tag:

Viel Dinge gibt es auf Erden,
Die grade nicht sehr sind begehrt;
So zum Beispiel, wenn einen ganzen
Tag man auf der Eisenbahn fährt.

Da wird im Anfang geplaudert,
Geraucht auch wohl, aber zumeist,
Wird in der Regel geschlafen;
Das weiß jeder, der mal gereist.

So ging es auch Muttern und Kindern,
Wie allen noch wohl bewußt,
Anni currentis Mittwoch
den dreißigsten August.

Wie fröhlich waren drum alle,
Als glücklich beendet die Fahrt,
Und im Glanze der sinkenden Sonne
Die Wartburg man endlich gewahrt.

Zuerst kamen an die von Möckern,
Dann trafen die Schlesier ein,
Und als nun der Zug kam von Barmen,
War'n alle da, außer zwein.

Es sei mir erlassen zu schildern
Die erste Begrüßungsscen',
Man bedenke, daß Adolf und Anna
Sich fünf lange Jahr nicht gesehn.
Als endlich dann des Umarmens
Und Händeschüttelns genug,
Begab sich in Alberts Wohnung
Der lange Geschwisterzug.

Hier besah man von oben bis unten
Das neue, stattliche Haus.
Dabei dachte jeder, der Albert,
der hat's entschieden heraus.

Drauf Johanna sprach: liebe Helene,
Du bleibst mit der Mutter bei mir,
Ihr anderen findet im Löwen
Ein passendes, hübsches Quartier.

Man trennte sich also vorläufig,
Doch nach Verlauf einer Stund'
Waren alle schon wieder versammelt
Zu fröhlicher Tafelrund.

So ward denn der Rest des Abends
Gemüthlich mit Plaudern verbracht,
Und besonders wurde der beiden,
Die unterwegs noch, gedacht.

Besonders aber der Eine
Machte Kopfzerbrechens uns viel.
Ihr wißt ja, welchen ich meine,
Drum schweige ich davon still. -------

Abschluss

Abschiedsstunde, Abschiedsstunde!
Dich auch jetzt noch zu besingen
Sei nun meine letzte Aufgab.

Zwar, ich möchte fast Dir danken,
Weil ich jetzo kann beenden
Meinen ungewohnten, theilweis
Sauren Ritt ins Reich der Verse,
Und hinab nun wieder klettern
Kann von meinem Pegasus.

Suchte er doch ungeduldig
Oft den ungeschickten Reiter
Einmal gründlich abzusetzen,
Bockte, macht' gewaltge Sprünge,
Wollte manchmal nicht recht weiter.

Aber doch stimmt fast mich traurig
Die Erinnerung an diese
Bittre Stunde unsres Abschieds.
Ach, wie hätten wir so gerne
Sie noch weit hinausgeschoben.

Konnte keiner uns doch sagen,
Wann das nächste Mal wir wieder
Sorgenlos und froh und glücklich
Würden uns zusammenfinden.

Doch - die Pflicht gebot dem einen,
Und den andern zog die Liebe,
Und so hieß es eben - scheiden -.

Einmal noch warn wir versammelt
In dem Haus des lieben Albert,
Um mit schäumendem Pokale
Anzustoßen auf die Zukunft:
Daß sie Glück und Segen bringe
Unserm lieben jungen Brautpaar;
Anzustoßen auf das Wohl auch
Unsrer lieben teuren Mutter,
Daß noch viele, viele Jahre
Sie uns mög erhalten bleiben
So in Frische und Gesundheit
Wie sie heute saß im Kreise
Der geliebten Schar der Kinder;

Anzustoßen schließlich darauf,
daß es nicht zu lange daure,
Bis uns wieder einmal alle
Unser Weg zusammenführet,
Und wir wieder dann so schöne
Glückliche Familientage,
Sei es in der alten Heimath,
Sei's wie diesmal in den schönen
Waldigen Thüringerbergen
Oder auch an anderm Orte
Uns'res lieben Vaterlandes,
Mit der alten Lieb im Herzen
Froh und glücklich werden feiern.

Und mit diesem inn'gen Wunsche
Will ich denn die Chronik schließen.
Eurer Nachsicht sie empfehlend
Läßt Euch alle herzlich grüßen.
Der Verfasser.

Quelle: Andreas Erbslöh
Obere Reihe: Johannes Weiß, Anna Weiß (geb. Erbslöh), Carl Schniewind, davor Clara Schniewind (geb. Erbslöh), Albert Erbslöh, Johanna Erbslöh (geb. Schuchard, Alberts Frau), Anna Elisabeth Erbslöh (geb. Linkenbach, Adolfs Frau), Adolf Erbslöh, Julius Erbslöh, Laura Erbslöh (geb. Wittenstein, Julius‘ Frau). Untere Reihe: Walter Erbslöh, Helene Erbslöh (spätere Weskott), Mutter Adelheid Erbslöh (geb. Wesenfeld), Ewald Erbslöh, Hugo Erbslöh.

Familie Erbslöh

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